Hirnanhangsdrüse des Pferdes mit degenerierten dopaminergen Nervenfasern
- Wirkstoff: Pergolid
- Dopamin-Agonist
- Ersetzt die bei PPID reduzierte dopaminerge Hemmung der Hormonproduktion
Der Wirkstoff Pergolid ersetzt das fehlende Dopamin. Pergolid ist ein sogenannter Dopamin-Agonist, d.h. es erfüllt dieselben Funktionen wie Dopamin an den Rezeptoren der Pars intermedia. Somit kann mit Pergolid die Kontrolle über die aus den Fugen geratene Produktion hormonell aktiver Substanzen der Pars intermedia wieder hergestellt werden.
Klinische Symptomatik - Wie äußert sich PPID?
PPID-Pferd mit langem, lockigem Fell am ganzen Körper (generalisierte Hypertrichose)
Das hormonelle Ungleichgewicht kann zu vielen unterschiedlichen klinischen Anzeichen führen, wobei das betroffene Pferd nur eines oder auch mehrere Symptome zeigen kann. Mit fortschreitender Erkrankung nehmen Intensität und Anzahl der Symptome zu.
Übermäßige Behaarung (Hypertrichose)
Häufig fällt zunächst ein verzögerter und unvollständiger Fellwechsel oder eine regional stärkere Behaarung meist unterm Kinn und an der Rückseite der Beine auf. Im weiteren Verlauf wird das Fell am ganzen Körper lang und lockig und kann farblich verändert sein. Diese früher auch als Hirsutismus bezeichnete Fellveränderung ist charakteristisch für die PPID.
Langes, gelocktes Fell am hinteren Röhrbein einer Stute mit PPID (Foto: K. Shell)
Regionale Hypertrichose mit in diesen Bereichen auch farblich verändertem Fell bei einem Warmblutwallach mit PPID (Foto: H. Gehlen)
Veränderung der Körpergestalt
Pferde mit PPID zeigen oft einen deutlichen Gewichtsverlust und einen Rückgang der Bemuskelung insbesondere von Rücken und Kruppe, aber auch der Bauchmuskulatur. Dadurch kann ein Senkrücken entstehen und die Pferde entwickeln, obwohl sie dünn sind, einen Hängebauch. Auch kommt es zu einer Umverteilung des Körperfetts. Ungewöhnliche Fettpolster können sich über den Augen, am Hals (Speckhals), an der Schweifrübe und im Bereich des Schlauchs bzw. vor dem Euter bilden.
Pferd mit für PPID typischem Erscheinungsbild, wenig Rücken- und Kruppen- muskulatur, Senkrücken, Hängebauch, regional übermäßiger, lockiger Behaarung, Fettpolster oberhalb der Augen, Schwitzen am Hals. (Foto: A. Bienert-Zeit)
An PPID erkranktes Pferd mit generalisierter, am Rumpf weniger gelockter Hypertrichose und deutlichem Abbau der Rücken- und Kruppenmuskulatur (Foto: H. Gehlen)
Hufrehe
Die schwerwiegendste Begleiterscheinung der PPID ist die chronische Hufrehe, also eine wiederkehrende Entzündung der Huflederhaut, die in Schüben verläuft. Ausgelöst wird die Entzündung in diesem Fall durch hormonell bedingte Durchblutungsstörungen.
Die Huflederhaut bildet die Verbindung zwischen Hufbein und Hornschuh. Ist die Lederhaut entzündet, lockert sich diese Verbindung und es kommt zu einer irreversiblen Verlagerung des Hufbeines im Hornschuh, einer Hufbeinrotation und/oder -senkung. Ein Reheschub ist sehr schmerzhaft, sodass die Pferde eine Entlastungshaltung einnehmen, das Gewicht nach hinten verlagern und die Vorderbeine nach vorne herausstellen. Manchmal sind jedoch Veränderungen am Huf erkennbar, die auf eine Hufrehe schließen lassen, ohne dass ein Schub bemerkt wurde. Die Rotation des Hufbeins führt zur Bildung von zu den Trachten hin auseinanderlaufenden Hornringen, sog. Reheringen. Aufgrund der Schmerzhaftigkeit und möglichen irreversiblen Schädigung der Hufe kann eine Hufrehe lebensbedrohlich sein.
Heute weiß man, dass eine Störung des Insulin-Stoffwechsels (sog. Insulindysregulation) die Gefahr einer Hufrehe deutlich erhöht. Bei Pferden mit PPID ist jedes 3. Pferd von einer Insulindysregulation betroffen.
Rechtes Vorderbein eines Rehe-Pferdes mit deutlich im Hornschuh rotiertem Hufbein (Foto: A. tom Wörden)
Chronischer Rehehuf mit zur Trachte hin auseinanderlaufenden Hornringen, sog. Reheringen (Foto: K. Shell)
Ungewöhnliches Schwitzen
Vermehrte Schweißbildung, meist im Bereich von Hals und Schulter, ohne körperliche Belastung ist ein weiteres Anzeichen der Erkrankung. Dies hat nicht nur etwas mit den Fellveränderungen zu tun, denn auch geschorene PPID-Pferde zeigen dieses Symptom. Auch das Gegenteil, eine fehlende Schweißsekretion, kann vorkommen. Man vermutet als Ursache, dass PPID die physiologische Kontrolle der Körpertemperatur, die sog. Thermoregulation, stört.
Verhaltensänderungen
PPID kann betroffene Pferde gleichgültiger werden lassen, bis hin zur Teilnahmslosigkeit. Auch die Leistungsfähigkeit nimmt ab, und die Reaktion auf Schmerzreize kann vermindert sein.
Infektanfälligkeit
Pferde mit PPID haben eine geschwächte Immunabwehr. Dies macht sie anfälliger für Infektionen bspw. im Bereich der Maulhöhle, Zähne und Nasennebenhöhlen, aber auch andere Organe, wie z.B. die Haut, können betroffen sein. Vermehrt kann es zu Hufabszessbildung kommen und wiederholte Entzündungen der Augenhornhaut können auftreten. Die Wundheilung kann verzögert sein und ein stärkerer Befall mit Parasiten, wie z.B. Magen-Darm-Würmern oder Haarlingen, ist möglich.
Weitere Symptome
Weitere bekannte Symptome, die mit einer PPID in Zusammenhang stehen können, sind vermehrtes Trinken und Wasserlassen, Fruchtbarkeitsstörungen bei Stuten und Milchsekretion aus dem Euter ohne vorherige Trächtigkeit sowie die Entwicklung einer Durchtrittigkeit durch Nachgeben von Bändern und Sehnen.
Diagnose & Therapie
Wie kann PPID festgestellt werden?
Besteht bei einem Pferd aufgrund des Alters und der klinischen Symptomatik der Verdacht, dass eine Fehlfunktion des Hypophysenzwischenlappens, also eine PPID, vorliegt, kann Ihre Tierärztin bzw. Ihr Tierarzt mithilfe von Bluttests die Diagnose stellen. Hierbei wird der ACTH-Wert bestimmt, entweder als Basalwert und/oder nach vorheriger Stimulation. Liegt eine ausgeprägte Hypertrichose vor, kann evtl. auf eine ACTH-Wert-Bestimmung zur Diagnosesicherung verzichtet werden. Da von der Jahreszeit abhängende hormonelle Schwankungen bestehen, kann die Auswahl des Bluttests und auch dessen Aussagekraft von der Jahreszeit abhängen.
Da ein Drittel der an PPID erkrankten Pferde eine Störung des Insulinstoffwechsels, also eine Insulindysregulation, aufweisen und diese die Gefahr für eine Hufrehe deutlich erhöht, wird empfohlen, bei Pferden mit gesicherter PPID-Diagnose auch den Insulinstatus mit abzuklären.
Was bedeutet die Diagnose PPID?
Wie eingangs erwähnt, ist PPID zwar nicht heilbar, medikamentelle Therapie und richtiges Management können die Erkrankung aber gut kontrollieren und dem erkrankten Pferd noch viele Jahre mit hoher Lebensqualität ermöglichen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Patient konsequent und lebenslang täglich behandelt wird. Zusätzlich unterstützen eine angepasste Fütterung und Bewegung sowie Vorsorge- und Pflegemaßnahmen das Wohlbefinden des Pferdes.
Wie wird PPID behandelt?
Zur Behandlung der PPID stehen für Pferde zugelassene Tierarzneimittel mit dem Wirkstoff Pergolid zur Verfügung. Der Wirkstoff ersetzt dabei das beim PPID-Patienten mangelnde Dopamin, sodass die Kontrolle über die Produktion hormonell aktiver Substanzen durch die Pars intermedia der Hypophyse wiedererlangt werden und sich die klinische Symptomatik verbessern kann.
Die Behandlung wird mit einer Standarddosis begonnen, muss dann aber individuell auf den Patienten eingestellt werden. Dazu sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen, die auch Bluttests beinhalten, notwendig. Ist das Pferd gut eingestellt, können die Abstände der Kontrolluntersuchungen vergrößert werden. Aber selbst bei stabiler Einstellung wird eine regelmäßige tierärztliche Nachkontrolle in Abständen von 6 – 12 Monaten empfohlen, da auch nach längeren Zeiträumen Dosisanpassungen notwendig werden können.
Eine Verbesserung der klinischen Symptome ist meist bereits nach wenigen Wochen erkennbar. Stark ausgeprägte und lang bestehende Symptome wie z.B. eine deutliche Hypertrichose benötigen dabei länger, bis ein Rückgang erkennbar wird. Vor allem zu Therapiebeginn oder nach Dosiserhöhung können in seltenen Fällen Anzeichen dafür auftreten, dass die verabreichte Dosis nicht gut vertragen wird. Dies kann sich beispielsweise darin äußern, dass das Pferd nicht fressen mag und niedergeschlagen wirkt. In diesen Fällen sollte Rücksprache mit der behandelnden Tierärztin bzw. dem behandelnden Tierarzt gehalten werden, damit diese/dieser ggf. über eine Dosisanpassung entscheiden kann.
Medikamente mit dem Wirkstoff Pergolid werden mit etwas Futter oder beispielsweise in einem Stück Apfel versteckt verfüttert. Alternativ kann das Medikament mit Pergolid in etwas Wasser aufgelöst und mit einer Spritze direkt ins Pferdemaul gegeben werden. Handelt es sich um viertelbare Tabletten mit Kreuzbruchrille (Achtung, das ist nicht bei jedem Präparat der Fall!), können diese sehr einfach ohne Tablettenteiler exakt halbiert oder geviertelt werden.
Viertelbare Tabletten mit Pergolid sollten nicht über das Vierteln hinaus zerkleinert werden.
Management der PPID
Was ist bei Haltung, Fütterung und Gesundheitsmanagement zu beachten?
Eine auf die jeweiligen Bedürfnisse des Pferdes angepasste Fütterung und angemessene Bewegung sind bei PPID-Patienten sehr wichtig. Dabei spielen sowohl die jeweiligen Befundungen als auch der Ernährungszustand des Pferdes eine Rolle. Eine Absprache mit Ihrer Tierärztin/Ihrem Tierarzt ist hier sinnvoll.
Allgemein kann man als rohfaserreiches Grundfutter Heu (bei normal- oder untergewichtigen Pferden zur freien Verfügung) und andere rohfaserreiche Futtermittel wie melassefreie Rübenschnitzel oder Luzernehäcksel empfehlen. Stärkereiche Futtermittel sollten vermieden werden, dafür können eher Pflanzenöle, gern reich an Omega-3-Fettsäuren, und proteinreiche Futtermittel wie Sojaprodukte und Bierhefe eingesetzt werden. Natürlich ist auch eine bedarfsgerechte Ergänzung von Vitaminen und Mineralien erwünscht.
Insbesondere bei Vorliegen einer Insulindysregulation und/oder Anzeichen von (stattgehabter) Hufrehe sollte auf leichtverdauliche Kohlenhydrate wie Gras, Getreide, Obst und Karotten verzichtet werden.
Aufgrund der chronischen Erkrankung benötigen Pferde mit PPID eine besondere Für- und Vorsorge. Wegen der erhöhten Infektanfälligkeit sollte auf regelmäßige Entwurmungen, Impfungen, tierärztliche Kontrollen von Maulhöhle und Zähnen und sorgfältige Hufpflege, insbesondere bei Vorliegen von Hufrehe, geachtet werden. Besteht eine ausgeprägte Hypertrichose, wird eine Schur in den warmen Monaten dem Pferd Erleichterung schaffen und Hautkrankheiten vorbeugen. Trinkt das Pferd aufgrund der PPID vermehrt, muss ausreichend Wasser zur freien Verfügung angeboten werden und es sollte auf trockene Einstreu geachtet werden.
Gemeinsam für Lebensqualität
PPID stellt zwar eine chronische, nicht heilbare Erkrankung dar, die Symptome und Begleiterscheinungen lassen sich aber durch medikamentelle Therapie und konsequentes Management gut kontrollieren. Durch die Behandlung wird das Risiko für eine lebensbedrohliche Hufrehe und andere Folgeerkrankungen minimiert und die Lebensqualität für das Pferd, und nicht zuletzt auch für den Reiter, wieder hergestellt.
Die Behandlung wird auf jeden Patienten individuell eingestellt. Dazu sind regelmäßige tierärztliche Kontrollen und eine gute Beobachtung durch den Tierhalter essenziell.
Im unten zum Download angebotenen Behandlungsbuch können Sie in Zusammenarbeit mit Ihrer Tierärztin bzw. Ihrem Tierarzt Befunde und eigene Beobachtungen notieren. So erhalten Sie einen Überblick über den Behandlungsverlauf und behalten die Termine im Blick. Vor allem aber bildet das Behandlungsbuch eine gute Grundlage für die Entscheidung über die weitere Therapie und Maßnahmen.
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Die PPID beim Pferd ist eine chronische Erkrankung, die in enger Zusammenarbeit zwischen Tierhalter und Tierarzt/Tierärztin sehr gut zum Wohle des Pferdes und des Reiters gemanagt werden kann.
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